GedichtGedichte

Das Gedicht „An Leonore“ stammt aus der Feder von Johann Christian Günther.

Die Trennung dient zu größrer Freude,
Drum tu doch nicht so sehr um mich!
So weit ich auch von hinnen scheide,
So nah behalt und küß ich dich,
Weil Licht und Nacht in tausend Bildern
Dem Herzen dein Gedächtnis schildern.

Nur mir liegt etwas in Gedanken
Und martert mich so stumm als scharf:
Man kennt des Frauenzimmers Wanken;
Ich weiß nicht, ob ich hoffen darf
Und ob wohl künftig dein Gemüte
Sich auch mit gleicher Sorgfalt hüte.

Der Zweifel darf dich nicht betrüben,
Er ist ein Zeichen zarter Treu;
Bisher erkenn ich zwar dein Lieben
Und weiß, wie rein die Flamme sei;
Wer bürgt mir aber für das Glücke,
Daß keine Zeit das Ziel verrücke?

Ich kann dir keinen Wächter stellen,
Es wäre denn dein eigner Geist;
Doch weil die Macht von manchen Fällen
Die Klügsten aus dem Zirkel reißt,
So laß dir, willst du mein verbleiben,
Die Regeln in das Herze schreiben.

Die Liebe reicht auch in die Ferne,
Und dies heißt recht beständig sein.
Verehre die geneigten Sterne,
Und zürnt ihr abgenommner Schein,
So mußt du mehr durch Flehn als Fluchen
Den Himmel zu versöhnen suchen.

Erwäge stündlich in der Stille
Den Anfang der Zusammenkunft,
Bendenke nur, dein eigner Wille
Beschwur das Bündnis mit Vernunft;
Vergiß auch nicht, was mein Verlangen,
Nur dich zu sehn, oft angefangen.

Vermeide die Gelegenheiten,
Wo viel Gesellschaft spielt und küßt;
Der Scherz kann öfters viel bedeuten,
Man weiß, wie stark die Reizung ist;
Und mußt du dich der Welt bequemen,
So laß dich andrer Putz beschämen.

Besuche fleißig alle Gänge,
Wodurch ich dich bisher geführt,
Vornehmlich wo der Birken Menge
Das Ufer und die Wiesen ziert,
Und dort 'naus, wo dein sachtes Küssen
Mich oft im Grünen wecken müssen.

Du weißt und kannst auch überlegen,
Wie kräftig mich der Mond ergötzt,
So daß ich seines Schimmers wegen
Die Nacht dem Tage vorgesetzt;
Besinne dich in solchen Schatten,
Wieviel wir sichre Zuflucht hatten.

Steh freudig auf, geh froh zu Bette,
Doch sieh vorher mein Bildnis an
Und nimm den Ring, die Liebeskette;
Denn ob gleich keines reden kann,
So wirst du doch bei ihrem Spielen
Viel Wachstum sanfter Neigung fühlen.

Dein Absehn mußt du wohl verhehlen;
Sprich jeden, der mir Gutes gönnt,
Und laß dir stets von mir erzählen
Und liebe das, was mich nur kennt;
Durchblättre meine Vers und Lieder
Und sing und leg und lies sie wieder.

Geh täglich in des Herren Tempel,
Die Andacht kommt der Liebe bei;
Das Altertum hat viel Exempel
Verliebter Lust und seltner Treu;
Bemüh dich drum und lies und merke,
Wie zärtlich dich ihr Beispiel stärke.

Laß weder Post noch Boten säumen
Und miß Papier und Silben nicht,
Erzähle mir aus allen Träumen,
Ihr Schatten gibt den Klugen Licht,
Und ist dir aller Zeug benommen,
So schreib mir stets ums Wiederkommen.

Leg alles, was ich schriftlich sende,
Ohn Argwohn auf dein Vorteil aus;
Betrachte wohl den Zug der Hände
Und suche vor das L. heraus
Ja, halt ein jegliches Gerüchte
Von meiner Untreu für Gedichte.

Es braucht kein häufiger Geschwätze,
Denn liebst du recht, so liebst du klug;
Ich geb und halt auch die Gesetze.
Kind, gute Nacht! Du hast genug.
Soll etwas mir dein Bild entführen,
So muß ich vor mein Herz verlieren.

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