GedichtGedichte

Das Gedicht „Der Spinnerin Nachtlied“ stammt aus der Feder von Clemens Brentano.

Es sang vor langen Jahren
Wohl auch die Nachtigall,
Das war wohl süßer Schall,
Da wir zusammen waren.

Ich sing' und kann nicht weinen
Und spinne so allein
Den Faden klar und rein,
So lang der Mond wird scheinen.

Da wir zusammen waren,
Da sang die Nachtigall,
Nun mahnet mich ihr Schall,
Daß du von mir gefahren.

So oft der Mond mag scheinen,
Gedenk ich dein allein,
Mein Herz ist klar und rein,
Gott wolle uns vereinen.

Seit du von mir gefahren,
Singt stets die Nachtigall,
Ich denk bei ihrem Schall,
Wie wir zusammen waren.

Gott wolle uns vereinen,
Hier spinn ich so allein,
Der Mond scheint klar und rein,
Ich sing und möchte weinen!

Analyse

Das Gedicht "Der Spinnerin Nachtlied" (1818; Epoche der Romantik) besteht aus 6 Strophen mit je 4 Versen in Form von umarmenden Reimen. Die erste, dritte und fünfte Strophe haben das Reimschema [abba], während die zweite, vierte und sechste Strophe das Schema [cddc] vertreten. Es werden nur vier "Reim-Silben" verwendet: die geraden Strophen beinhalten ei-Vokale während die der ungeraden Strophen a-Vokale beinhalten.

Die Strophenform ist ein jambischer Vierzeiler. Der erste und vierte Vers einer Strophe, jeweils von weiblicher Kadenz, umschließt den zweiten und dritten Vers – ein Paar männlicher Kadenz.

Inhalt / Zusammenfassung

Das Gedicht berichtet von einer einsamen Spinnerin, welche eine tiefe Sehnsucht nach einer verlorenen Liebe zum Ausdruck bringt. Das Lied kann auch als Klage um den toten Geliebten aufgefasst werden und das Spinnrad als Symbol für die "Zeit". Aus der Klage um die ehemals paradiesischen Zustände entspringt die Hoffnung und Sehnsucht nach ihrer Erneuerung.

Das Gedicht entstand vermutlich im Sommer 1802 und wurde 1818 in der Erzählung „Aus der Chronicka eines fahrenden Schülers“ publiziert. Diese Erzählung handelt von dem bettelarmen Vagabund Johannes (* 1358) der von dem Ritter Veltlin von Türlingen als Schreiber angestellt wird. Doch der sprachbegabte Junge schreibt nicht nur, sondern weiß dem Ritter und seinen 4 Töchtern viele phantasievolle Geschichten zu berichten.

Hintergrund

Das Spinnrad ist ein Gerät zum Verspinnen von Fasern um daraus Fäden oder Garn herzustellen, die dann weiterverarbeitet wurden (z. B. Weben, Stricken).
Das Spindelspinnrad gelangte gegen Ende des 12. Jahrhunderts aus dem orientalischen Raum nach Europa und war für die Baumwoll-Industrie vor der industriellen Revolution von grundlegender Bedeutung. Es bildete auch die Grundlage für spätere Maschinen wie die Spinnmaschine und den Spinnrahmen.

Weitere gute Gedichte des Autors Clemens Brentano.

Bekannte Gedichte zum Thema "Weber / Spinnerin":