GedichtGedichte

Das Gedicht „Die Ärzte“ stammt aus der Feder von Johann Wilhelm Ludwig Gleim.

Durch den Anblick holder Nymphen,
Durch die Wirkung sanfter Hände,
Frischer Wangen, schwarzer Augen
Senken sich in Geist und Glieder
Neue Kräfte, neues Leben.

Wenn ich, voll von Schlafsucht, liege,
Darf mich nur Dorinde kitzeln,
Plötzlich hör' ich auf zu schlafen.
Wenn mir Kopf und Wangen schmerzen,
Darf Sie sie nur einmal streicheln,
Plötzlich weichen alle Schmerzen.

Neulich raubte mir ein Fieber
Kraft und Lust aus allen Nerven,
Und ich fing schon an zu sterben;
Aber Doris, meine Taube,
Strich, mit sanften Liebeshänden,
Alle halb erstorb'ne Glieder,
Und indem ich sterben wollte,
Küßte sie zum Abschiedsseegen
Noch einmal die blassen Lippen,
Plötzlich hört' ich auf zu sterben.

Plötzlich flohen Brand und Fieber,
Plötzlich ward ich froh und munter.
Zwanzig Stunden nach dem Kusse
Fühlt' ich schon in allen Gliedern
Neue Kräfte, neues Leben;
Und nach zwanzig andern Stunden
Hatt' ich mir, mit neuen Kräften,
Schon die Lippen rot geküsset.

Doris! dein Genesungsmittel
Hat den Beifall aller Ärzte;
Aber lehr es keinen Ärzten,
Spar es nur für meine Fieber,
Und verschreib es keinen andern.
Deinen Schwestern kannst du's lehren.

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