GedichtGedichte

Das Gedicht „Ein alter Tibetteppich“ stammt aus der Feder von Else Lasker-Schüler.

Deine Seele, die die meine liebet,
Ist verwirkt mit ihr im Teppichtibet.

Strahl in Strahl, verliebte Farben,
Sterne, die sich himmellang umwarben.

Unsere Füße ruhen auf der Kostbarkeit,
Maschentausendabertausendweit.

Süßer Lamasohn auf Moschuspflanzenthron,
Wie lange küsst dein Mund den meinen wohl
Und Wang die Wange buntgeknüpfte Zeiten schon?

Analyse

Das Gedicht „Ein alter Tibetteppich“ (1910; Epoche des Expressionismus) besteht aus 4 Strophen mit jeweils 2-3 Versen. Diese sind durch Paarreime [aa, bb, cc, dd] miteinander verbunden. Eine Ausnahme bildet Vers 8, der sich nicht reimt (Waise). Das Versmaß ist ein Trochäus mit vier-, fünf, und sechs Hebungen.

Inhalt / Zusammenfassung

Das Gedicht thematisiert die individuelle Liebeserfahrung zweier Menschen und die damit verbundene Vielfalt von Eindrücken und Gefühlen.
Es wurde 1910 in der von Herwarth Walden, dem zweiten Ehemann von Else Lasker-Schüler, redigierten Wochenschrift »Der Sturm« publiziert. Karl Kraus druckte es 3 Wochen später in seiner Zeitschrift "Die Fackel" nach. 1911 erschien es im dritten von Lasker-Schüler veröffentlichten Gedichtband "Meine Wunder".

Für Karl Kraus gehörte das Gedicht „zu den entzückendsten und ergreifendsten, die ich je gelesen habe, und wenige von Goethe abwärts gibt es, in denen so wie in diesem Tibetteppich Sinn und Klang, Wort und Bild, Sprache und Seele verwoben sind“.

Hintergrund

Die Herstellung tibetischer Teppiche ist eine traditionelle Form der angewandten Kunst. Tibetische Teppiche werden fast ausschließlich in Handarbeit aus der Wolle tibetischer Hochlandschafe, Changpel genannt, hergestellt. Die Tibeter verwenden Teppiche für viele Zwecke, von Fußböden über Wandbehänge bis hin zu Pferdesätteln, wobei die häufigste Verwendung die eines Sitzteppichs ist. Ein typischer Schlafteppich mit einer Größe von etwa 0,90 m × 1,50 m wird "khaden" genannt.

Mit der tibetischen Diaspora wurde das Wissen über die Herstellung von Plaids von Flüchtlingen nach Indien und Nepal gebracht, so dass die Herstellung von tibetischen Plaids heute zu einem wichtigen Industriezweig und Exportprodukt in Ländern wie Nepal geworden ist.

Die in der tibetischen Teppichherstellung verwendete Knüpfmethode unterscheidet sich von derjenigen, die in anderen Teppichherstellungstraditionen weltweit verwendet wird. Einige Aspekte der Teppichherstellung wurden in jüngster Zeit durch billigere Maschinen ersetzt, insbesondere das Spinnen des Garns und das Zuschneiden des Flors nach dem Weben. Einige Teppiche werden jedoch immer noch von Hand hergestellt. Die tibetische Diaspora in Indien und Nepal hat ein florierendes Geschäft mit der Teppichherstellung aufgebaut. In Nepal ist das Teppichgeschäft einer der größten Industriezweige des Landes, und es gibt viele Teppichexporteure. Auch in Tibet gibt es Webereien, aber die Exportindustrie ist im Vergleich zu Nepal und Indien relativ unterentwickelt.

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