GedichtGedichte

Das Gedicht „Sehnsucht der Liebe“ stammt aus der Feder von Theodor Körner.

Wie die Nacht mit heil'gem Beben
Auf der stillen Erde liegt!
Wie sie sanft der Seele Streben,
Üpp'ge Kraft und volles Leben
In den süßen Schlummer wiegt!

Aber mit ewig neuen Schmerzen
Regt sich die Sehnsucht in meiner Brust.
Schlummern auch alle Gefühle im Herzen,
Schweigt in der Seele Qual und Lust:
Sehnsucht der Liebe schlummert nie,
Sehnsucht der Liebe wacht spät und früh.

Leis wie Äolsharfentöne
Weht ein sanfter Hauch mich an.
Hold und freundlich glänzt Selene,
Und in milder, geist'ger Schöne
Geht die Nacht die stille Bahn.

Aber auf kühnen, stürmischen Wegen
Führt die Liebe den trunkenen Sinn.
Wie alle Kräfte gewaltig sich regen!
Ach, und die Ruhe der Brust ist dahin!
Sehnsucht der Liebe schlummert nie,
Sehnsucht der Liebe wacht spät und früh.

Tief im süßen, heil'gen Schweigen
Ruht die Welt und atmet kaum,
Und die schönsten Bilder steigen
Aus des Lebens buntem Reigen,
Und lebendig wird der Traum.

Aber auch in des Traumes Gestalten
Winkt mir die Sehnsucht, die schmerzliche, zu,
Und ohn' Erbarmen, mit tiefen Gewalten,
Stört sie das Herz aus der wonnigen Ruh.
Sehnsucht der Liebe schlummert nie,
Sehnsucht der Liebe wacht spät und früh.

So entschwebt der Kreis der Horen,
Bis der Tag im Osten graut.
Da erhebt sich neugeboren
Aus des Morgens Rosentoren
Glühendhell die Himmelsbraut.

Aber die Sehnsucht in meinem Herzen
Ist mit dem Morgen nur stärker erwacht;
Ewig verjüngen sich meine Schmerzen,
Quälen den Tag und quälen die Nacht.
Sehnsucht der Liebe schlummert nie,
Sehnsucht der Liebe wacht spät und früh.

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