GedichtGedichte

Das Gedicht „Weihnacht“ stammt aus der Feder von Karl Henckell.

1.

Weihnacht, wunderbares Land,
Wo die grünen Tannen,
Sternenflimmernd rings entbrannt,
Jeden Pilger bannen!

Glücklich kindlicher Gesang
Schwebt um heilige Hügel,
Schwebt der Heimat Welt entlang,
Sehnsucht seine Flügel.

Friedestarken Geistes Macht
Sehnt sich, zu verbünden,
Über aller Niedertracht
Muss ein Licht sich zünden.

Lebens immergrüner Baum
Trägt der Liebe Krone -
Und ein milder Sternentraum
Küsst die starrste Zone.

2.

Es klingt ein Lied aus alter Zeit
Wie Sternentraum so rein,
Von eines Kindleins Herrlichkeit
Und schlichter Hütte hellem Schein.

In eine Nacht von Wahn gebar,
Als sich die Zeit erfüllt,
Das Weib den Menschensohn, der klar
Den Widersinn der Welt enthüllt.

Sein Auge war so himmelstief,
Durchstrahlte Trug und List:
Der Lichtheld wuchs, sein Schicksal rief,
Am Kreuze hing der erste Christ.

Noch immer hängt der Mensch am Kreuz,
Noch immer jammern Fraun,
Dem Glockenklang des Weihgeläuts
Mischt sich des Wahnsinns Weh und Graun.

Der Geist, der stark mit Feuer tauft,
Wird immer noch geschmäht,
Noch wird verraten und verkauft,
Wer Saat der kühnen Liebe sät.

Noch sind so viele Augen blind,
Herrscht ungerecht Gericht -
Doch wieder ward die Wahrheit Kind,
Und langsam, langsam wächst ihr Licht.

3.

Der Wanderer geht durch die weite Nacht,
Sein Sinn ist offen, sein Auge wacht.
Er lauscht in das schwangere Schweigen -
Die Sterne ziehen den Reigen.

Sie ziehen den Reigen vieltausend Jahr,
Die Welt ist dunkel, ihr Licht bleibt klar,
Sie sehen aus silbernen Höhen
Der Erde zuckende Wehen.

Der Wanderer horcht dem sausenden Sang
Frostblinkender Drähte meilenlang,
Sie singen von Sehnsucht und Hassen
Ringender Menschenmassen.

Sie singen von rastloser Forscher Mühn,
Von Geisterflammen, die läuternd glühn,
Von Krieg, Hosianna und Grausen
Heimlich sie singen und sausen.

Der Wanderer schaut ob Unglück und Glück
Auf seinen einsamen Pfad zurück.
Dann weilt auch der Hüter der Erde
Am nächsten feiernden Herde.

Er hebt ein Kindlein traut auf den Arm -
Wie wird der Atem der Welt ihm warm! -
Und rastet beim Lichterbaume,
Lächelnd wie tief im Traume …

Karl Henckell

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