GedichtGedichte

Das Gedicht „Im Mai“ stammt aus der Feder von Heinrich Heine.

Die Freunde, die ich geküsst und geliebt,
Die haben das Schlimmste an mir verübt.
Mein Herze bricht; doch droben die Sonne,
Lachend begrüßt sie den Monat der Wonne.

Es blüht der Lenz. Im grünen Wald
Der lustige Vogelgesang erschallt,
Und Mädchen und Blumen, sie lächeln jungfräulich -
O schöne Welt, du bist abscheulich!

Da lob ich mir den Orkus fast;
Dort kränkt uns nirgends ein schnöder Kontrast;
Für leidende Herzen ist es viel besser
Dort unten am stygischen Nachtgewässer.

Sein melancholisches Geräusch,
Der Stymphaliden ödes Gekreisch,
Der Furien Singsang, so schrill und grell,
Dazwischen des Cerberus Gebell -

Das passt verdrießlich zu Unglück und Qual -
Im Schattenreich, dem traurigen Tal,
In Proserpinens verdammten Domänen,
Ist alles im Einklang mit unseren Tränen.

Hier oben aber, wie grausamlich
Sonne und Rosen stechen sie mich!
Mich höhnt der Himmel, der bläulich und mailich -
O schöne Welt, du bist abscheulich!

Anmerkung: stygisch = schauerlich, kalt;

Cerberus = ein zumeist mehrköpfiger Höllenhund, der den Eingang zur Unterwelt bewacht, damit kein Lebender eindringt und kein Toter herauskommt.

Stymphalide = vogelartiges Ungeheuer in der griechischen Mythologie. Die kranichgroßen Vögel wohnten am See Stymphalos in Arkadien (Landschaft im Zentrum der Peloponnes) und waren eine Plage, da sie ihre ehernen (eisernen) Federn wie Pfeile auf Menschen abschossen und die Ernte vernichteten. Der Held Herakles vertrieb sie bzw. tötete sie größtenteils.

Proserpine = Raub der Persephone in der griechischen Mythologie bzw. der Raub der Proserpina in der römischen Mythologie ist die Erzählung von der Entführung von Kore, der Tochter Demeters (lateinisch: Ceres), durch Hades (lateinisch: Pluto), den Herrscher der Unterwelt, von der verzweifelten Suche der Mutter und der gefundenen Lösung, nach der Kore als Persephone, Königin der Toten, nur einen Teil des Jahres in der Unterwelt weilt.

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